Der Weg der Yoga-Praxis besteht aus Übungstechniken wie z.B. Meditation, Asanas, Pranayamas usw. einerseits und aus einer Reihe von inneren Qualitäten andererseits. Während in den ersten Jahren des Yoga-Wegs die praktischen Aspekte der Übungen überwiegen mögen, gelangen die verschiedenen Formen der inneren Haltung, die man als den Geist des Yoga bezeichnen könnte, erst nach und nach zu voller Entfaltung.
Im Bereich der Yoga-Techniken gibt es eine große Anzahl von genau beschriebenen Übungen, während die andere Seite der „inneren Einstellung“ weniger konkret und weniger greifbar zu sein
scheint.
Wir wollen daher in diesem Artikel untersuchen, wie diese inneren Qualitäten aussehen können – das folgende Konzept geht über das in den Patanjali Yoga Sutras erwähnte Loslassen (Vairagya) hinaus
und ergänzt es mit weiteren Qualitäten bzw. Anregungen. Es sind vier Komponenten, die den Geist des Yoga ausmachen – wir können sie mit der Erinnerungshilfe „SALT“ innerlich abrufen:
S steht für Stille,
A steht für Achtsamkeit,
L steht für Loslassen,
T steht für Tun, was zu tun ist.
Wenn wir die grundlegenden Gedanken dieser vier Aspekte im täglichen Leben präsent halten und versuchen, in unser Denken, Sprechen und Handeln zu integrieren, so bietet dies ein großes Potential
für Gelassenheit, inneren Frieden und Harmonie im Alltag. Sehen wir uns die Grundgedanken der vier Aspekte an.
Unser Leben ist geprägt von einer unglaublichen Informations- und Reizüberflutung, von Zeitdruck, Hektik, Ungeduld und sogar in der Freizeit sucht man „Action“ und „Erlebnisse“. Wir sind am besten rund um die Uhr per Handy erreichbar, SMS müssen binnen Minuten beantwortet werden und Multitasking ist in vielen Phasen des Tages nicht mehr zu vermeiden, wenn wir alle Aufgaben, die zu erfüllen sind, meistern wollen.
„Offline ist das neue Bio.“ könnte der Slogan der Gegenbewegung heißen. Musst du wirklich immer erreichbar sein, sofort zurückrufen und über alles, was die Nachrichten hergeben, stets
unterrichtet sein?
Hier sind ein paar Tipps, wie du mehr Stille in deinen Alltag bringen kannst:
Vergleichsweise selten sind wir „voll und ganz hier“, meist ist ein Teil unserer Aufmerksamkeit in der Vergangenheit oder in der Zukunft, womit die Gegenwart nur noch einen Teil unseres Erlebensspektrums ausmacht. Wenn es uns gelingt, ganz im Hier und Jetzt zu sein, würde unser Erleben um wesentliche Dimensionen der Tiefe, der Lebendigkeit und der Freude erweitert werden.
Nicht nur die Vergangenheit und die Zukunft trüben das Erleben der Gegenwart, sondern auch der Gedanke an das, was wir mit dem momentanen Tun verbinden. Wenn wir zum Beispiel mit dem Auto zu
einer Veranstaltung fahren, befinden sich unsere Gedanken bereits zu einem Teil bei der Veranstaltung, welche Menschen wir wohl treffen werden, was wir sehen und erfahren werden, wie wir uns
fühlen werden usw. Könntest du in dieser Situation alle Gedanken an die Veranstaltung loslassen und voll und ganz beim Autofahren sein?
Hier sind einige Tipps zum Vertiefen deiner Achtsamkeit:
Dinge, Ereignisse und Informationen heischen nach unserer Aufmerksamkeit. Sie drängen sich an uns heran, verlangen unser Urteil, unsere Zustimmung oder Ablehnung, unsere Stellungnahme. Wenn wir uns bewusst machen, dass wir die Wahl haben, ob wir auf sie reagieren oder nicht, dann beginnt Freiheit, dann beginnt Frieden.
In einigen Fällen ist ein Reagieren sinnvoll und notwendig, in vielen anderen Fällen jedoch nicht. Dinge, die uns nicht direkt betreffen oder auf die wir keinen Einfluss haben, können wir auch
still beobachten, ohne sie innerlich zu ergreifen, ohne uns innerlich ergreifen zu lassen – sie bleiben sozusagen „draußen“, sie berühren uns nicht. Wenn du genau hinschaust, wirst du erkennen,
dass unsere Reaktion automatisch zu erfolgen scheint. Doch du hast die Möglichkeit, deine Reaktion „umzutrainieren“, oder, noch besser, bewusst zu entscheiden, ob eine Reaktion sinnvoll ist oder
nicht. Hier kann dein „Loslass-Training“ beginnen: Jeder Akt des Loslassens und des Nichtreagierens ist ein Schritt hin zu deinem inneren Frieden.
Dem yogischen Loslassen, Vairagya, liegt die Erkenntnis zugrunde, dass alle Dinge vergänglich sind und letzten Endes unwirklich, veränderlich, und dass jedes Anhaften und Anklammern lediglich
Leid, Stress und Kampf mit sich bringt. Deshalb die Einladung an dich: Immer, wenn du dich gestresst fühlst, beobachte, woraus der Stress entsteht – ist es nicht oft dadurch, dass du an Dinge
anklammerst, die es nicht wert sind? Und wenn du sie einfach loslassen könntest? Erkenne, dass du die Wahl hast!
Auch die Dinge, die wir zu tun haben, bewerten wir: Auf die einen reagieren wir mit Freude und Verlangen, auf die anderen mit Widerwillen. Auch diese innere Beurteilung ist etwas, auf das du nicht unbedingt reagieren musst. Versuche es einfach, sie vollständig beiseite zu lassen und zu tun, was in diesem Augenblick zu tun ist. Vielleicht wirst du erstaunt sein, was geschieht.
Ob du dich nun angenehmen oder unangenehmen Aufgaben gegenüber siehst, stelle dich einfach der betreffenden Handlung als Werkzeug zur Verfügung. Stelle dir vor, dass eine höhere Weisheit durch
dich wirkt – so kannst du in deinem Handeln in ein leichtes und friedvolles Fließen gelangen.
„Wenn du schreibst, bewegt sich die Feder. Ist es die Feder, die schreibt?“ Nein, die Feder ist, ebenso wie die Hand, die sie führt, ein Instrument einer höheren Intelligenz. Ebenso
können wir auch den Menschen und sein Tun als Instrument der höchsten Intelligenz und Weisheit sehen.
Erst das Ego mit seinem Urteilen, mit seinen Vorlieben und Abneigungen erschafft Ablehnung, Spannung und damit Stress. Wann immer du also Widerstand gegen eine Aufgabe in dir fühlst, ist
dies eine Erinnerung, dich jener höheren Kraft und Weisheit hinzugeben und sie durch dich wirken zu lassen – dies ist die Grundlage des Karma-Yoga. So lehrt Sri Krishna in der Bhagavad
Gita:
„Tue deshalb, was getan werden muss, aber selbstlos und ohne persönliche Rücksicht. Wer völlig selbstlos handelt, gelangt zum All-Einigen.“ (BG 3,19)
Wir haben nun eine Reihe von Gedanken und Anregungen betrachtet, die dir helfen können, im Alltag zu mehr Gelassenheit und innerem Frieden zu finden, und die damit nebenbei auch deiner Gesundheit ein stabiles Fundament geben können. Es wird nicht möglich sein, ALLE dieser Vorschläge umzusetzen, schon gar nicht den ganzen Tag lang. Beginne also klein und nimm dir eine Anregung, die dich besonders angesprochen hat und die du für umsetzbar hältst, und nimm dir einen bestimmten Zeitraum vor, sie umzusetzen, zum Beispiel:
Danke fürs Teilen!